Atmen tun wir alle. etwa 20'000 Mal pro Tag. Doch die wenigsten Menschen nutzen die Atmung bewusst als Werkzeug zur Entspannung. Dabei ist die Verbindung von Atem und Bewegung eine der ältesten und wirksamsten Methoden, um Stress abzubauen und innere Ruhe zu finden. Von Yoga über Tai Chi bis zu einfachen Atemübungen beim Joggen: Die Integration bewusster Atmung in deine Sportpraxis kann deren entspannende Wirkung vervielfachen.
Halt kurz inne und spüre deinen Atem. Flach und schnell in der Brust? Oder tief und ruhig im Bauch? Die meisten von uns atmen, ohne es zu merken, und die meisten atmen unter Stress suboptimal: hastig, oberflächlich, nur in den oberen Lungenbereich. Das ist kein Zufall. Stress verändert unsere Atmung automatisch, und die veränderte Atmung verstärkt wiederum den Stress. Ein Teufelskreis, den die wenigsten kennen. Wir verstehen, dass bewusstes Atmen sich zunächst seltsam anfühlen kann, fast zu einfach, um wirksam zu sein.
Aber hier liegt ein Geheimnis, das alte Traditionen wie Yoga seit Jahrtausenden kennen und die moderne Wissenschaft nun bestätigt: Die Atmung ist der einzige Teil des autonomen Nervensystems, den wir bewusst steuern können. Über den Atem hast du direkten Zugang zu deinem Nervensystem. Du kannst dich buchstäblich in die Entspannung atmen. In diesem Artikel zeigen wir dir, wie du diese Kraft für dich nutzen kannst, allein und in Verbindung mit Bewegung. Es ist einfacher, als du denkst, und wirksamer, als du erwartest.
Die Wissenschaft der Atmung
Die Atmung ist die einzige Körperfunktion, die sowohl automatisch als auch bewusst gesteuert werden kann. Dadurch ist sie ein direkter Zugang zum autonomen Nervensystem. Langsames, tiefes Atmen aktiviert den Parasympathikus. den Teil des Nervensystems, der für Ruhe und Regeneration zuständig ist.
Wie Atmung das Nervensystem beeinflusst
Das autonome Nervensystem besteht aus zwei Hauptakteuren: dem Sympathikus (zuständig für Aktivierung und Stress) und dem Parasympathikus (zuständig für Entspannung und Erholung). Im Alltag. besonders unter Stress. dominiert oft der Sympathikus. Die bewusste Verlängerung der Ausatmung aktiviert den Parasympathikus und signalisiert dem Körper: «Die Gefahr ist vorbei, du kannst dich entspannen.»
Beim Sport steigt die Atemfrequenz automatisch, weil der Körper mehr Sauerstoff braucht. Doch auch hier kann die Art, wie wir atmen, den Unterschied machen. Eine kontrollierte, rhythmische Atmung während des Trainings hilft, effizienter zu arbeiten und gleichzeitig das Nervensystem in Balance zu halten.
Grundlegende Atemtechniken
Bevor wir zur Verbindung von Atmung und Bewegung kommen, hier einige grundlegende Atemtechniken, die du jederzeit und überall anwenden kannst:
Bauchatmung (Zwerchfellatmung)
- Lege eine Hand auf die Brust, die andere auf den Bauch.
- Atme durch die Nase ein und lass den Bauch sich nach aussen wölben.
- Die Hand auf der Brust sollte sich kaum bewegen.
- Atme langsam durch den Mund aus, der Bauch zieht sich sanft zurück.
- Wiederhole 10 Mal.
4-7-8-Atmung (Entspannungsatem)
- Atme vollständig aus.
- Atme durch die Nase ein und zähle bis 4.
- Halte den Atem an und zähle bis 7.
- Atme durch den Mund aus und zähle bis 8.
- Wiederhole 4 Mal.
Boxbreathing (Kastenatmung)
- Atme durch die Nase ein (4 Sekunden).
- Halte den Atem (4 Sekunden).
- Atme durch den Mund aus (4 Sekunden).
- Halte den Atem (4 Sekunden).
- Wiederhole 4-6 Mal.
Praktischer Tipp
Boxbreathing wird auch von Navy SEALs und Leistungssportlern verwendet, um unter Druck ruhig zu bleiben. Diese Technik ist besonders effektiv vor Präsentationen, schwierigen Gesprächen oder Wettkämpfen.
Atmung beim Ausdauersport
Beim Joggen, Schwimmen oder Velofahren spielt die Atmung eine zentrale Rolle. Die richtige Atemtechnik kann die Leistung verbessern und gleichzeitig zur Entspannung beitragen.
Rhythmische Atmung beim Laufen
Eine bewährte Technik ist die rhythmische Atmung, bei der die Atemzüge mit den Schritten koordiniert werden. Ein gängiges Muster ist 3:2. drei Schritte einatmen, zwei Schritte ausatmen. Dieses asymmetrische Muster verteilt die Belastung gleichmässig auf beide Körperseiten.
- Für lockere Läufe: 3:3 (drei Schritte ein, drei Schritte aus)
- Für moderate Belastung: 3:2 (drei Schritte ein, zwei aus)
- Für intensive Läufe: 2:1 (zwei Schritte ein, ein Schritt aus)
Atmung beim Schwimmen
Im Wasser ist die Atmung besonders anspruchsvoll. Die Konzentration auf den Atemrhythmus hilft, einen gleichmässigen Schwimmstil zu entwickeln und verhindert hektisches Schnappen nach Luft. Beim Kraulen beispielsweise wird die Ausatmung unter Wasser vollständig abgeschlossen, sodass beim Kopfdrehen nur eingeatmet werden muss.
Nasen- vs. Mundatmung
Bei moderatem Training ist die Nasenatmung ideal. sie filtert, wärmt und befeuchtet die Luft. Bei intensiver Belastung reicht sie nicht aus, und die Mundatmung übernimmt. Für Entspannung ist die Nasenatmung vorzuziehen.
Yoga: Meister der Atemverbindung
Keine Bewegungspraxis verbindet Atmung und Bewegung so konsequent wie Yoga. Im Yoga spricht man von «Pranayama». der Steuerung der Lebensenergie durch den Atem. Jede Bewegung (Asana) ist mit einem Atemzyklus verbunden: Öffnende Bewegungen werden mit dem Einatmen, schliessende mit dem Ausatmen koordiniert.
Ujjayiatmung (Siegreicher Atem)
Die Ujjayiatmung ist eine klassische Yoga-Atemtechnik, die auch beim Ausdauersport eingesetzt werden kann:
- Atme durch die Nase ein.
- Atme durch die Nase aus, dabei die Kehle leicht verengen (wie beim Flüstern).
- Es entsteht ein sanftes, gleichmässiges Rauschen.
- Die Atmung wird dadurch länger und kontrollierter.
Diese Technik verlangsamt den Atem, erhöht die Konzentration und hat eine beruhigende Wirkung auf das Nervensystem.
Tai Chi und Qi Gong
Diese chinesischen Bewegungskünste sind von Grund auf um die Atmung herum aufgebaut. Die langsamen, fliessenden Bewegungen werden mit tiefer Bauchatmung synchronisiert. Das Ergebnis ist eine meditative Praxis, die Körper und Geist gleichermassen entspannt.
In Basel gibt es verschiedene Anbieter für Tai Chi und Qi Gong. Diese Praktiken eignen sich besonders für Menschen, die intensive Sportarten als zu anstrengend empfinden, aber dennoch von der Verbindung aus Bewegung und Atmung profitieren möchten.
Atemübungen nach dem Sport
Nach dem Training ist der ideale Zeitpunkt für bewusste Atemübungen. Der Körper ist aufgewärmt, und der Übergang in die Entspannung kann durch gezielte Atmung unterstützt werden.
5-Minuten Cool-down mit Atmung
- Lege dich auf den Rücken, Beine angewinkelt oder ausgestreckt.
- Atme tief in den Bauch (1 Minute bewusste Bauchatmung).
- Praktiziere die 4-7-8-Atmung (4 Zyklen).
- Lass die Atmung natürlich werden, beobachte sie nur (2 Minuten).
- Öffne langsam die Augen und komm in eine sitzende Position.
Atmung im Alltag
Die Verbindung von Atmung und Bewegung muss nicht auf Sport beschränkt sein. Auch im Alltag kannst du bewusste Atempausen einbauen:
- Morgens: Drei tiefe Atemzüge vor dem Aufstehen.
- Vor dem Computer: Alle Stunde eine Minute bewusst atmen.
- Beim Gehen: Schritte und Atmung synchronisieren.
- Vor dem Schlafengehen: 4-7-8-Atmung zur Einschlafförderung.
- In stressigen Momenten: Boxbreathing zur Beruhigung.
Der Vagusnerv
Der Vagusnerv ist der wichtigste Nerv des Parasympathikus. Tiefe Bauchatmung stimuliert ihn direkt und aktiviert damit die Entspannungsreaktion. Menschen mit hoher «Vagusnerv-Aktivität» sind stressresistenter und erholen sich schneller von Belastungen.
Häufige Fehler bei der Atmung
Viele Menschen atmen unbewusst suboptimal. Hier einige häufige Muster und wie du sie korrigieren kannst:
- Flache Brustatmung: Konzentriere dich auf die Bauchatmung. Lege regelmässig die Hand auf den Bauch, um zu überprüfen, ob er sich hebt.
- Atemanhalten unter Stress: Achte bewusst darauf, weiterzuatmen, wenn du angespannt bist.
- Zu schnelle Atmung: Zähle beim Atmen. Versuche, mindestens 4 Sekunden für Ein- und Ausatmen zu brauchen.
- Nur durch den Mund atmen: Trainiere die Nasenatmung, besonders bei leichter Aktivität.
Geführte Atemmeditation
Für den Einstieg können geführte Atemmeditationen hilfreich sein. Es gibt zahlreiche Apps und Online-Ressourcen, die durch verschiedene Atemtechniken führen. Auch viele Yogastudios und Meditationszentren in Basel bieten Kurse an, die sich auf Atemübungen spezialisieren.
Der Atem als Brücke
Die Atmung ist eine Brücke zwischen Körper und Geist, zwischen dem, was wir kontrollieren können, und dem, was automatisch abläuft. Indem wir bewusst atmen, können wir direkt Einfluss auf unser Nervensystem nehmen und Stress aktiv reduzieren.
Ob beim Sport, beim Yoga oder einfach im Alltag. die Integration bewusster Atmung ist eine der einfachsten und wirksamsten Methoden zur Entspannung. Du brauchst keine spezielle Ausrüstung, keinen bestimmten Ort, nur die Bereitschaft, deinem Atem Aufmerksamkeit zu schenken. Beginne heute: Ein tiefer, bewusster Atemzug ist der erste Schritt zu mehr Ruhe und Gelassenheit.
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